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7300 Tage Buy and Hold! Und jetzt?

7300 Tage Buy and Hold! Und jetzt?

7300-Tage-Buy-and-Hold-meine-Erfahrungen

Wenn es um Aktienstrategien geht, dann ist meist auch die Rede von Buy & Hold. Eine Aktie wird ausgesucht, dann gekauft und dann für eine lange Zeit gehalten.

Kursrückgänge sollen beobachtet und analysiert werden. Aber sie sollen nicht zum schnellen und hektischen handeln führen. Das ist die Strategie von Buy & Hold. Und oft läuft sie unter dem Motto: Ach, der Kurs wird schon wieder. Bestimmt wird es nicht so schlimm. Der Kurs erholt sich bestimmt bald wieder.

Doch was, wenn sich der Kurs nicht erholt?

Was wenn der Kurs immer weiter und weiter und weiter fällt?

Und sich auch in den nächsten 5 Jahren oder 10 Jahren oder 20 Jahren nichts tut?

Ach, sowas passiert nicht! Sicher?

Mir ist nämlich genau das passiert!

Und deshalb möchte ich dir heute einen kleinen Einblick in mein Portfolio geben und dir von nunmehr 20 Jahren Erfahrung mit Buy & Hold berichten.

China wird boomen … bald … demnächst … irgendwann. Hoffentlich. Vielleicht.

Das die Buy & Hold Strategie schnell gefährlich werden kann, sollte allen Anlegern bewusst sein. Vor allem, wenn auf Einzeltitel gesetzt wird.

Wirecard, Telekom, Deutsche Bank, die Liste an Rohrkrepierern wird schnell lang. Daher habe ich dir bereits meine zwei Gründe gegen ein stumpfes Buy & Hold vorgestellt.

Damit du meine Gründe besser verstehen kannst, erzähle ich dir jetzt, wie ich seit 20 Jahren darauf Warte, dass ein Fonds wieder auf den Einstiegskurs steigt.

Damals, als ich noch jung und gutaussehend war

Im Jahr 2000 war ich noch ein junger Hüpfer. Ich stand kurz vor meiner Abiturprüfung und habe damals satte 1000 Euro (das war damals wahnsinnig viel Geld für mich) in den Nordasia.com Fonds (WKN: 979217 / ISIN: DE0009792176) investiert.

Wie genau ich zu diesem Fonds gekommen bin, darüber habe ich hier schon einmal berichtet: Mein größter Fehler an der Börse.

Der Nordasia.com investiert in Asien, überwiegend in China. Das Jahr 2000 war das Jahr des Drachen. China stand vor einem unglaublichen Wirtschaftswachstum und sollte alle kühnsten Hoffnungen übertreffen.

So oder so ähnlich lass es zumindest meine Mutter in einer Börsenzeitung.

Also investierte ich mit meiner Mutter in den Fonds. Das Anlageziel war klar: langfristig. Wir wollten vom Aufschwung Chinas provitieren.

Die ersten Erfahrungen mit Buy & Hold waren durchaus positiv

Und siehe da. Der Fonds ging damals ab wie eine Rakete. Wer denkt, nur der Bitcoin macht Menschen reich, der irrt. Auch der Nordasia.com Fonds hätte uns gute Gewinne ermöglicht, wenn wir nicht auf Buy & Hold gesetzt hätten.

Jeden Tag prüften wir den Kurs. Damals noch ganz stilecht mit ISDN Leitung, einem 17- Zoll Röhrenmonitor und minutengenauer Abrechnung. Die Kursdaten waren – wie es sich für damals gehörte – meist vom Vortrag. Aber jedes Mal, wenn wir den Kurs prüften, war der Fonds schon wieder gestiegen. Mega!!

Nach nur wenigen Wochen hatte der Fonds seinen Ausgabekurs von 100 Euro weit hinter sich gelassen. Bei über 120 Euro stand der Kurs. Wahnsinn!

Und dann kam die Dotcom Blase.

Wer schon immer mal wissen wollte, wie sich so ein Crash anfühlt, der darf gerne meinen Dotcom Bericht lesen oder hat vielleicht letztes Frühjahr mitgemacht. Wobei der Mini-Crash letztes Jahr kaum mitzählt. Schließlich waren die Kurse so schnell wieder oben, man hatte gar keine Zeit in Angst und Panik zu verfallen.

Doch die Freude über 20 % Gewinn war nur von kurzer Dauer. Von über 120 Euro ging es runter auf 16 Euro. Nein, da fehlt keine Null. Es waren wirklich 16 Euro. Das müsste der tiefste Punkt damals gewesen sein.

Nordasia.com-die-ersten-Jahre-waren-die-schlimmsten
Nordasia.com die ersten Jahre waren die schlimmsten (Quelle: Ariva.de)

So genau ist das den Charts und den Aufzeichnungen gar nicht mehr zu entnehmen. Zum Glück habe nicht nur ich das Fiasko verdrängt, auch das Internet scheint auch zu vergessen.

Aus 1000 Euro machte ich 160 Euro.

Sauer war ich. Ich wollte mir damals nämlich die PlayStation 2 holen.

Meine Mutter meinte damals, das sei reine Geldverschwendung.

Und was ist es, wenn man aus 1000 Euro 150 Euro macht, fragte ich?

Meine Begeisterung hielt sich entsprechend in Grenzen.

Ein Mahnmal in meinem Depot

Ich habe in diesem Zeitraum immer mal wieder Taschengeld aus Geschenken oder Ferienjobs in Fonds und hin und wieder auch in Einzeltitel investieren dürfen.

Aber nur der Nordasia.com Fonds ist noch heute in meinem Depot.

Seit nunmehr exakt 20 Jahren oder 7300 Tagen.

Dieser Fonds sollte mich immer daran erinnern, dass „Buy & Hold“ kein Allheilmittel ist. Der Fond ist das Fazit meiner Meinung und meiner Erfahrung bezüglich Buy & Hold.

Das blöde Warten rettet dich nicht immer vor dem finanziellen (Total)Verlust. Daher an alle Wirecard Besitzer: Ihr seid nicht allein!

Die ersten 10 Jahre waren grauenhaft. Der Fonds stieg und fiel. Er stieg und fiel. Doch die 50 Euro Marke blieb unerreicht.

Die 50 Euro wollte ich unbedingt haben. Maximal die Hälfte meines Geldes wollte ich verlieren. Maximal!

Selbst die Hälfte ist irgendwie zu viel. Aber der Fonds schaffte es einfach nicht. Noch nicht einmal kleinste Ansprüche wurden erfüllt.

Auch nicht nach 13 Jahren warten.

Das Blatt wendete sich – ganz langsam

Doch dann passierte es. Das Blatt schien sich zu wenden. Wenn auch ganz langsam und zaghaft.

Im Jahr 2014 blitze ein kleines Licht am Ende des Tunnels auf.

Also uns Mario Götze zum Weltmeister machte, durchbrach der Nordasia.com doch tatsächlich den Kurs von 50 Euro!

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Nordasia.com-20-Jahre-warten-auf-Gewinn
Nordasia.com 20 Jahre warten auf Gewinn (Quelle: Ariva.de)

Aber der WM Titel war wirklich das Highlight. Nordasia.com lag zwar bei 50 Euro, vollführte aber 365 Tage lang nur eine Seitwärtsbewegung.

Immer wieder haderte ich mit mir, ob ich verkaufen soll. Schließlich hätte ich „nur“ die Hälfte meines Geldes verloren. Aber dann sank der Kurs wieder um 50 Cent und ich war zu stolz den Verkaufsbutton zu drücken.

Ob 15 oder 20 Jahre – was macht das schon?

Zum Jahresbeginn 2015 gab der Fonds dann aber richtig Gas und knackte die 60 Euro Marke. Da schwor ich mir, ich zieh den bis zum Ende mit durch. Ich habe an der Börse noch nie Geld verloren und die Chinesen werden nicht den Anfang machen. Ich halte Nordasia.com bis zum bitteren Ende.

Meine Haltung halt sich gelohnt. Denn in den letzten vier Jahren entwickelte sich das Teil wieder zu einer echten Rakete.

Und im August 2020 kam dann endlich der große Tag.

Nach 20 Jahren warten!!! Nach über 7300 Tagen, war ich endlich bei Plus/Minus Null.

Der Fonds hat seinen Ausgabekurs wieder erreicht und ich hatte meine 1000 Euro wieder.

Plus/Minus null ist natürlich gelogen. Wenn ich die Inflation berücksichtige, dann war ich zwar immer noch fett im Minus, aber dieses Minus fühlte sich jetzt ganz anders an.

Und nicht zu vergessen, die Gebühren, immerhin hat das Teil einen TER von 1,15 %. Alles andere als ein Schnapper – vor allem für 20 Jahre Durststrecke.

Nach 7300 Tagen jetzt Alles oder NICHTS

Heute steht der Kurs bei satten 120 Euro!

Kurs-nordasia-com
Der aktuelle Kurs von Nordasia.com (Quelle: finanzen.net)

Tatsächlich. Ich habe im Leben nicht mehr an diesen Moment geglaubt. Da bin ich jetzt tatsächlich im Plus.

Soll sich damit meine Erfahrung bezüglich Buy & Hold geändert haben?

Wenn Corona jetzt nicht wäre, würde ich mit meiner Frau Ente süß & sauer essen gehen und den Erfolg mit edlem Pflaumenwein begießen 😉

Meine Erfahrungen nach 20 Jahren Buy & Hold:

Positiv

  • Von knapp 16 Euro wieder auf 100 Euro und jetzt sogar auf 120 Euro.
    Das Warten scheint zu funktionieren. Aber Achtung! Hierbei handelt es sich um einen Fonds, nicht um eine Einzelaktie!

Negativ

  • 20 Jahre waren echt eine mega lange Zeit
  • Nicht jeder hat so viel Zeit
  • Die 1000 Euro hätten in einem MSCI World ETF mehr Rendite gebracht und mir weniger Sorgen bereitet
  • Ein Minus über so viele Jahre muss man „Ertragen“ können
  • Meine Erfahrungen sind nicht übertragbar, schon gar nicht auf Einzeltitel
  • 1000 Euro ist ein sehr überschaubarer und zu verschmerzender Betrag. So etwas machst du ggf. nicht mit, wenn du mit deutlich größeren Summen investiert bist.

Daher lautet mein Fazit:

„Bei Fonds scheint Buy & Hold manchmal zu funktionieren. Ich bin froh, dass ich einen Fonds hatte und das Experiment nicht mit einer Einzelaktie machen musste. Aber glaube mir, ich mache drei Kreuze, dass ich den Mist nun endlich los bin.“

Sebastian – Anleger mit zu viel Zeit

Hasta la vista Nordasia.com und willkommen weitere Anteile am MSCI EM ETF.

Welche Erfahrungen hast du bisher mit Buy & Hold gemacht? Würde mich freuen, wenn du deine Erfahrungen mit uns teilst?

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Zeige Kommentare (4)
  • Kapitalanlage unterliegt dem Zielkonflikt zwischen Ertrag und Risiko – je höher der erwartete Ertrag um so höher auch das Risiko. Andererseits existieren Strategien um das Risiko von Kapitalanlagen zu steuern und zu begrenzen.

    Für die Vergangenheit hat beispielsweise Oliver Paesel mit dem Robovisor verschiedene Strategien der Verlustbegrenzung wie die der 200-Tage-Linien-Strategie getestet und dargestellt. Ich will hier keine Werbung machen nur sind die Darstellungen sehr übersichtlich und eingängig.

    Du kannst Dir für Dich selbst überlegen wo Du heute stündest wenn Du in den nordasia.com Fonds nur investiert hättest wenn sich dieser in einem Aufwärtstrend oberhalb der 200-Tage-Linie befindet.

    Wahrscheinlich wäre die auf diese Weise erzielte Rendite bis heute bedeutend höher. Dies schon deshalb weil Du die Verluste ab dem Jahr 2000 nicht ganz mitgemacht hättest. In dem langen Zeitabschnitt ab 2003 hättest Du nicht Verluste wieder aufgeholt sondern direkt Rendite erzielt.

    Trotzdem: Renditen der Vergangenheit sind keine Garantie für die Zukunft. Aus der Performance bisher kann nicht auf die zukünftige Wert- und Kursentwicklung geschlossen werden. Es besteht daher die Möglichkeit, dass der Anleger nicht die gesamte investierte Summe zurückerhält

    Liebe Grüße,

    Dummerchen

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